Bei manchen Dingen neige ich dazu, diese gründlich machen zu wollen. Dritte würden es perfektionistisch nennen, ich „optimierte Herangehensweise“. Aber sei es drum, Menschen mit Zwangsstörungen geben selten zu, dass sie eine haben. In meinem Fall mag eine davon das Waschen sein. Also nicht von mir, sondern von meiner Kleidung. Zumindest empfinden das meine Nachbarn so, die meine Waschsessions gerne kommentarfreudig beobachten.
Ich trenne nur nach 40 vs 60 Grad, neuer und damit möglicherweise färbender Wäsche vs Funktionskleidung. Mehr nicht. Das dürfte noch den meisten Normalbürgern entsprechen. Mit 38 Jahren durfte ich dann von meiner (neuen) Freundin lernen, dass es besser wäre, nach bunt und weiß zu trennen, was mir vorher völlig egal gewesen war. Denn in meiner bisher glorreichen Taktik gab es nur ein Waschmittel: Vollwaschmittel. Vom Namen her hielt ich „voll“ = für alles geeignet. Dass ich mich 20 Jahre lang gefragt habe, warum meine bunten Klamotten so schnell ihre Farbe verlieren, sprich dann doch gegen Perfektionismus. Denn wie ich lernen durfte, enthalten Vollwaschmittel Bleichstoffe, damit die Wäsche schön weiß bleibt. Mit einem Schock wurde mir nun klar, warum auf den anderen Mitteln im Laden „Bunt“Waschmittel drauf steht. Zur Ehrenrettung: Der Sinn eines Funktionswaschmittels war mir bereits verständlich.
Nun besitze ich also Waschmittel für bunt und voll. Das Vollwaschmittel kaufe ich wie bisher in Pulverform, auch wenn das bedeutet, dass die manchmal vorhandenen und ärgerlichen Waschmittelflecken bleiben werden. Während ich das neu für mich entdeckte Buntwaschmittel in Flüssigform kaufe. Nun hat Flüssigwaschmittel einen Nachteil: Es ist flüssig. Das wäre nicht schlimm, wenn ich niemals Vorwaschgänge nutzen würde oder das Waschmittel im Waschmittelfach nicht gleich wegfließen würde. Aber da ich manchmal mit Vorwäsche arbeite, stehe ich vor einem Dilemma: Ein Waschmittel-Fach ist für die Vorwäsche, eines für die Hauptwäsche. Ich mit meinem neuen Flüssigwaschmittel: Kippe ich gleich in beide Fächer was rein, dann fließt das Waschmittel sofort raus und der Hauptwaschgang kriegt nichts mehr ab. Da ist das geliebte Pulverwaschmittel echt einfacher zu handhaben!
Um das Dilemma zu lösen, befülle ich nur das Fach für die Vorwäsche, stelle mir einen Wecker und laufe nochmal zur Maschine, wenn diese mit dem Hauptwaschgang begonnen hat. Dann fülle ich die zweite Menge Waschmittel in das Fach für den Hauptwaschgang. Falls ich jedoch nicht rechtzeitig bei der Maschine ankomme, kann es sein, dass diese bereits das Waschmittelfach durchgespült und den Hauptwaschgang begonnen hat. Wenn ich nun erst das Waschmittel rein kippe, läuft das zwar raus, aber vielleicht kommt nicht alles bei der Wäsche an. Oder noch schlimmer, es wird erst beim Nachspülen zur Wäsche befördert. Um diese Herausforderung zu meistern, nehme ich immer meinen Wasserkocher oder Zahnputzbecher mit zur Waschmaschine, kippe erst das Flüssigwaschmittel ins Fach und spüle dann mit Wasser hinterher. Aus diesen Gründen muss ich immer zu Hause bleiben, wenn ich wasche.
In einer Wohnung stand meine Waschmaschine in einem Mietshaus im Keller, ich wohnte im 2. Stock. Das ergab einige Hoch-und-Runter-Laufstrecken, die noch mehr wurden, wenn ich irgendwas vergaß mitzunehmen. Denn entgegen aller anderen Hausbewohner lagerte ich meine Waschmittel nicht mit im Keller, sondern oben in der Wohnung. An meinen extremen Waschtagen kam ich so auf gut 5 Hoch-Runter-Läufe pro Wäsche: Die Wäsche selbst, dann das Waschmittel, dann irgendwas vergessen, dann nach dem Vorspülen Waschmittel nachkippen, zum Schluss die Wäsche hochtragen und aufhängen. Macht also 10x Einzelstrecke und bei 4 Waschladungen am Tag summiert 40x Treppensport. Bei einem Höhenunterschied von 10 m war ich mit 400 Höhenmetern dabei. Manche Hausberge sind niedriger.
Eine andere Mieterin im Haus hatte eines Tages das Glück, meine volloptimierte Wasch-Lauf-Zeremonie bewundern zu dürfen. Da diese bis spät abends dauerte, trug ich eine Stirnlampe, um nicht bei jedem Hoch-Runter-Sprint den Strom der kompletten Treppenhausbeleuchtung zu verschwenden. So kam ich ihr im Dunkeln entgegen, als sie gerade ihre Wohnungstür öffnete, und leuchtete in ein Paar verdutzte Augen. Nachdem ich ihr erklärt hatte, was ich da tue und warum, kam nur trocken: „Ich wasche seit 30 Jahren meine Wäsche, aber solche Probleme hatte ich noch nie.“ Tja, dann machst du was falsch.
Ein weitere Fähigkeit von mir hat ihren großen Auftritt, wenn ich viel Wäsche zu waschen habe. Sowas kommt oft nach Urlauben vor oder wenn ich neue Wäsche gekauft habe, die ich aus Abfärbegründen lieber vorerst mit ähnlichen Farben wasche. Dann kann es schonmal vorkommen, dass ich 2 Wochen lang Wäsche sammele, damit die Waschmaschine garantiert voll wird, denn eine halbvolle Beladung empfinde ich als Umweltsünde. An so einem Punkt habe ich oftmals keine vernünftige Kleidung mehr im Schrank und muss mit Badehose als Unterhose oder Schlafanzug als Jeans und Pullover haushalten. Oder ich vergreife mich an meiner Funktionskleidung, die eigentlich für Trekking-Urlaube gedacht ist. In jedem Fall sehe ich komisch aus; dass ich in dem Zustand auch gedankenlos durch das Treppenhaus gehe, macht es für die Nachbarn nicht besser. Was diese zum Glück nicht sehen können, ist der Zustand in meiner Wohnung: Denn für soviel Wäsche besitze ich nicht genug Wäscheständer. Doch ein Perfektionist findet wunderbare Alternativen: Türen, Türgriffe, Schranktüren, Dusche, in der Wohnung gespannte Seile, Stühle. Und wenn dies nicht reicht, dann helfen Wäscheklammern bei der Befestigung an weiteren Objekten oder solche werden zweckentfremdet. Hast du gewusst, dass man mit einem Putzeimer Wäsche trocknen kann? Nein? Nun, jetzt bist du schlauer. Ich garantiere dir, jeder Besuch wird bleibende Erinnerungen behalten, wenn der Küchentisch von Socken belagert ist und an jedem Türgriff Unterhosen baumeln. Diese kann man dort nämlich wunderbar aufhängen! Sofern der Besuch überhaupt in die Wohnung kommt, denn man beachte das Foto: Ein Ende der selbstgebauten Wäscheleine ist an der Haustür festgemacht.

