Die meisten Menschen feiern ihren Geburtstag zu Hause, Andere gehen ins Café oder Restaurant. Manche verbinden ihren Geburtstag mit einem Ausflug, so waren zu meinen Kinderzeiten der Kinobesuch, Bowling oder die klassische Schnitzeljagd populär. Die runden Geburtstage werden gerne im großen Familien- und Freundeskreis gefeiert.
Hier zeigte sich bereits, dass meine Familie anders ist. Mein Vater feierte seinen 50. Geburtstag auf 2941 Meter. Erreichbar nur über einen langen Aufstieg von 1 – 2 Tagesmärschen. Wer dort oben ankam, war mit Sicherheit bergtauglich:

Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und lud zu meinem 40. Geburtstag in den Harz ein. Zum Zelten, im Dezember. Genauer gesagt, am 23.12. Erstaunlicherweise kamen sogar 4 Gäste, darunter mein Vater, aber 2 davon schliefen dann doch in einem Haus. Wobei man dazu sagen muss, dass dieses Haus keine Komfort-Wohnung war, sondern eine Höhlenforscher-Behausung, die größtenteils von Männern genutzt wurde und wo man sich sein Bett (Isomatte) selbst mitbringen musste. Aber immerhin war es wärmer als draußen. Dort herrschte zu der Zeit keine extreme Kälte, mit um die 0 Grad war es akzeptabel, aber schlafen ging nur mit Handschuhen, Mütze und viel Kleidung. Deutlich problematischer war der viele Regen, denn dies brachte nach 3 Tagen Zelten ein sehr gravierendes Problem mit sich: Ein neu entstandener See um mein Zelt. Hier noch im Aufbau:

Dadurch war Innen einfach alles nass. Zuerst die Decke, später der Schlafsack. Happy birthday! Aber ich wollte es ja so. Geplant, durchgeführt und für nicht wiederholenswert befunden.


Meine sonstigen, nicht runden Geburtstage sind aber auch keine wohlig warmen Kuschelstunden. Als Jugendlicher hatte ich wilde Nebel-Bass-Stroboskop-Parties gefeiert, bis fast die Feuerwehr kam, wie in meinen früheren Geschichten zu lesen ist. Doch irgendwann kam niemand mehr zu meinen Parties – außer mir, meiner Mutter und der Polizei. Die Leute wurden alt, Party-time adé! Also musste eine neue Idee her: Eine Wanderung! Ja, klingt voll öde und ätzend langweilig, kann man aber pimpen: Zuerst nicht vergessen, dass ich am 23.12. Geburtstag habe. Es ist also garantiert kalt, vielleicht liegt sogar Schnee oder zumindestens ist es matschig und dreckig. Einmal regnete es seit Tagen so brutal in Strömen, dass Wanderwege zu Bächen geworden waren und selbst die beste Regenkleidung nichts mehr half: Die 3,5 Teilnehmer waren nach wenigen Stunden nass bis auf die Haut. Dabei waren übrigens mein Vater und meine Mutter. Ein anderes Mal war es extrem stürmisch und wir hatten Angst, Äste und Bäume auf den Kopf zu bekommen. Gegangen wird bei jedem Wetter und mit Vorliebe im Wald. Ich würde sogar alleine losgehen, aber bislang gab es immer Selbstmord-gefährdete Begleitung.

Um das Wandern spannender zu machen, bevorzuge ich kleine, unbefestigte Pfade wie Grenzwege. Alles, was in OpenStreetMap gepünktet angezeigt wird, ist super. Solche Wege haben eine Gebüsch- und Such-dir-deinen-Pfad-selbst-Garantie. Perfekt ist zudem bergiges Gelände wegen dem steilen Gefälle. Auch spaßig sind Mountainbike-Trails; ja, die soll man nicht zu Fuß gehen, machen aber besonders viel Spaß. Denn hier gibt es Matschgarantie, steile Rampen und viel Rutschgefahr. Einen Tag vor Weihnachten fährt da sowieso niemand lang. Sightseeings gibt es auf meinen Touren auch:

Generell gilt: Je mehr Matsch, desto besser. Solche Strecken bieten vielfältige Sturz- und Ausrutsch-Möglichkeiten. Meine eiserne Regel ist: Wer fliegt (ausrutschen oder abstürzen ist beides OK), der zahlt. Nämlich hinterher das Essen. Bin ich sowieso immer selbst. Wenn man mit einer Handvoll Verrückter völlig verdreckt aus dem Wald kommt, triefend vor Nässe und Dreck, die Schuhe bei jedem Tritt braune Abdrücke hinterlassen, sollte einen eigentlich jedes Bistro rauswerfen. Die örtliche Pizzeria jedoch nicht. Beim ersten Mal haben wir noch höflich gefragt und uns soweit ausgezogen, wie es ging, um das Mobiliar einigermaßen zu verschonen, aber nicht zu weit, um potentiell andere Gäste nicht zu verschrecken. Es war kein Problem, der Italiener brauchte scheinbar Geld. Die folgenden Male kannte er die Bekloppten aus dem Wald schon.
Kann man das toppen? Yes. Ich habe ja im Dezember Geburtstag, und da wird es früh dunkel. Was liegt also näher als eine Nachtwanderung! Somit starten meine Touren in der Dämmerung und gehen bis tief in die Nacht. Unser Rekord war von 16 – 24 Uhr: Es war angenehm warmes Wetter, die Truppe sehr motiviert und der Alkohol-Pegel bestens. Denn für die gemütliche Einkehr zwischendurch achte ich darauf, dass Schutzhütten auf der Wanderroute liegen. Keine bewirtschafteten, sondern die offenen Holzhütten, in denen Wanderer im Sommer ein Päuschen machen können. Im Notfall tut es aber auch eine Bank. Damit die Kälte besser auszuhalten ist, sind warme Getränke Pflicht: Glühwein, Grog, Met, Glühbier, … . Doch Klimawandel sei Dank waren die letzten Male kalte Biere angenehmer. Und natürlich die obligatorischen Kurzen. Das Ergebnis jeder Pause ist eine immer stärker motivierte Truppe, die jeden Sturz, jedes Matschbad und jede weitere Gemeinheit von mir mit Humor nimmt – oder noch einen trinkt und sich dann durch den Tannenwald drückt. Denn selbst Pfade sind mir manchmal zu langweilig. Querfeldein ist das neue Wandern! Falls du schonmal im Dunkeln versucht hast, ohne Weg durch einen dichten Nadelwald zu kommen, weißt du, wovon ich spreche. Man sieht eigentlich nix, aber kriegt ständig Äste ins Gesicht.


Dunkelheit ist relativ: Welche Mondphase haben wir gerade, wieviele Wolken gibt es? Vollmond ist langweilig, es ist oft viel zu hell. Geil ist hingegen Neumond, ein Garantiebringer für viele Flüche. Denn manchmal verbiete ich Taschenlampen. Damit wir nicht tastend auf allen Vieren oder händchenhaltend in einer Reihe losziehen müssen, bringe ich für diese Ausflugsvariation bunte Leuchtstäbe mit. Die leuchten hell genug, dass man bis zu seinen Füßen sehen kann, aber nicht weit genug, um die nächste Abbruchkante zu erkennen. Seitdem weiß ich auch: Gelb leuchtet heller als rot oder blau. Für Routen durch Steinbrüche und an Abhängen entlang sind Leuchtstäbe optimal, denn sogar Leute mit Höhenangst kommen mit.


Ein weiterer Vorteil von Leuchtstäben ist, dass niemand verloren gehen kann, man Abgestürzte wiederfindet und der Jäger eine Zielmarkierung hat. Einmal wollten wir einem Reh einen Leuchtstab umhängen, es war nur keines da. Mit Leuchtstäben kann man die Tiefe von Abgründen bestens abschätzen, Light-Painting betreiben und Spiele sind damit auch möglich: Abwerfen. Das ist wie Völkerball für Fortgeschrittene mit Leuchtspur-Munition. Tipp: Trickreiche Teilnehmer verbergen ihre eigenen Lechtstäbe bis zum Abwurf, damit sie schwieriger zu sehen sind.
Wer sich nun fragt, wie verletzungsreich sowas abläuft: Eigentlich recht gering. Bis auf Abschürfungen, Prellungen, kaputte Kleidung und viel Dreck. Nach über 10 Jahren hatten wir nur 1 gebrochene Hand. Diese tat mir aber sehr leid, denn es traf meine Mutter. Seitdem überlege ich, doch nur auf Café & Kuchen einzuladen. Aber weil dann niemand kommen würde, bleibt es dabei. Ungefähr 50% meiner Freunde sagen jedes Jahr bereits ab, bevor ich die Einladung zu meinem Geburtstag überhaupt geschickt habe. Der harte Kern ist in der Regel dabei. Nur bei extremen Wetterbedingungen kann sich das Teilnehmerfeld auf meine engste Familie beschränken. Die Übrigen kommen dann nur noch zur Pizza. In jedem Fall sorge ich für bleibende Erinnerungen: Am Weihnachtstag haben die meisten Kopfschmerzen, Muskelkater und viel dreckige Wäsche. So mag ich es. YOLO!