Betrunken unterm Weihnachtsbaum

Mein Geburtstag ist praktischerweise einen Tag vor Weihnachten. Das führt zwar dazu, dass ich immer wieder mitleidig angesehen werde, weil das doch „der schlechteste Tag überhaupt für einen Geburtstag ist“. Doch all diese Menschen haben Unrecht. Es gibt nichts Geileres, als dafür zu sorgen, dass alle meine Freude an Heiligabend mit einem Riesen-Kater unterm Weihnachtsbaum sitzen!
Und so war ich bei meinen Freunden dafür geliebt und bei deren Eltern etwas weniger, wenn Sohn oder Tochter mal wieder eine üble Fahne am Weihnachtstisch hatte. Oder Kopfschmerzen. Oder Übelkeit und keinen Hunger. Oder alles zusammen.

Mir selbst erging es in der Regel nicht besser, sprach ich dem Alkohol mittlerweile deutlich zu. Trotz dieser weihnachtlichen Einschränkungen konnten sich alle Eltern sicher sein, dass ihre Kinder wenigstens an Heiligabend keinen Alkohol trinken würden. Schließlich war der Kater schon schlimm genug. Ich nutzte daher gerne diese Gelegenheit, alle nicht-alkoholischen Getränke meiner Feier zu vernichten, die noch übrig waren. Doch das sollte einmal ziemlich schief gehen.

Ich glaube es war mein 18. Geburtstag. Wir feierten ausnahmsweise im Keller des Hauses meiner Großeltern. Einer meiner geladenen Gäste war ein schulbekannter Alkohol-Verweigerer. Und ein paar meiner geladenen Freunde waren ebenso bekannte Alkohol-Verführer. Ohne mein Wissen heckten sie einen gewieften Plan aus, wie man den letzten trockenen Jünger zur Sucht zwingen könnte. Und so wurden alkoholfreie Flaschen wie Fanta, Cola & Co. präpariert – meine lieben Freunde hatten in mühevoller Probierarbeit zu Hause getestet, welche Alkoholika man am besten mit welchen alkoholfreien Getränken mischen konnte; und dies in welcher Menge, so dass der Alkohol nicht auffiel oder sich der Geschmack änderte. So warteten nun 3 präparierte Flaschen bei meiner Party auf den glücklichen Jünger. Alle Gäste waren eingeweiht und rührten diese Flaschen nicht an – mich hatte man vergessen. Da ich eh keine Getränke ohne Alkohol zu mir nahm, war das vermutlich nicht so wichtig gewesen.

Der Plan ging nicht auf: Der trockene Jünger testete zwar die heimlich gemixten Gebräue, da man sie ihm regelrecht aufzwang, musste jedoch irgendwas gemerkt haben und kippte sein Glas weg. Es gelang nicht, ihn abzufüllen, und er hielt sich anschließend sicherheitshalber an Leitungswasser. Tragischerweise bekam ich von dem Versuch nichts mit, weil ich mich gerade in einem anderen Raum aufhielt. Die 3 präparierten Flaschen wurden zur Seite gestellt und den Abend über nicht mehr beachtet.

Einen Tag später: Die Party war vorbei, ich wieder zu Hause. Es war Weihnachten, das Weihnachtsessen lag hinter mir, die Bescherung auch. Ich hatte einen furchtbaren Schädel, keinen Alkohol angerührt und verweigerte nun wie üblich den Gang zum Mitternachts-Gottesdienst. Der Rest meiner Familie machte sich auf und ich blieb alleine zurück. Mein alkoholfreies Getränk ging dem Ende entgegen und ich suchte nach einer neuen Flasche. Das Schicksal wollte es so, dass ich nun zum Reste-Vorrat meiner gestrigen Party schlurfte und erbost feststellen musste, dass gleich 3 alkoholfreie Flaschen zwar geöffnet, aber kaum geleert worden waren. Geht ja gar nicht! Also schnappte ich mir die erste davon und ging ins Wohnzimmer zurück. Mit erfreuter Miene stellte ich fest, dass die Fanta heute besser schmeckte als sonst.

Eine Stunde später wankte ich zurück zum Flaschen-Vorrat und nahm mir die nächste der bereits geöffneten, natürlich alkoholfreien Flaschen. Zu meinem Verzücken schmeckte auch die Cola deutlich besser als gewohnt und ich fing bereits an, mich damit anzufreunden, zukünftig doch mehr Zuckerwasser als sonst zu trinken. Eine weitere Stunde später kroch ich zum letzten Mal zum Vorrat und zog auf dem Rückweg die dritte Flasche hinter mir her. Völlig erschöpft kam ich auf der Höhe unseren festlich geschmückten Weihnachtsbaums zum Erliegen und ließ die göttliche Flüssigkeit erneut in mich einlaufen.

Ein wenig später kam meine Familie zurück. Sie fand ihren Sohn und Bruder stockbetrunken unter dem Weihnachtsbaum. Der wusste selbst nicht was los war, nur meine Mutter erahnte einen merkwürdigen Beigeruch in der dritten, noch nicht ganz geleerten Flasche. Es sollte für diesen Abend noch ein Geheimnis bleiben … erst als ich meine Freunde Tage später zur Rede stellte, kam die Wahrheit ans Licht. Und mir schallendes Gelächter entgegen. Sauber gemacht, Leute! Hab euch auch lieb.