Schlafplatz Nummer 34

In meiner ungestümen postpubertären Zeit, damit meine ich die erste Zeit nach dem Auszug aus der elterlichen Obhut, war ich deutlich davon angetan alles zu tun, was früher nur unter dem kritischen Blick der Eltern passieren konnte. Dazu gehörten natürlich auch ausgiebige Streifzüge durch Bars und Kneipen. Und so ergab sich eines Tages eine brisante Kombination, für die mir meine erste Freundin bis heute leid tut.

Es war irgendein herbstlicher Abend in Mannheim. Ich war mit einigen meiner Studienkumpels auf Kneipentour, während meine Freundin in meiner Wohnung blieb. Ob sie nicht mit wollte oder ich sie unfairerweise nicht dabei haben wollte – diese Erinnerungslücke ist dem Alter geschuldet. Aber was soll´s, es ging ja eh nur ums Besaufen. Und so ergab es sich, dass wir eine Disko besuchten, wo FlatRate-Saufen angeboten wurde. Damals gab es diese stilvolle Art, sich hemmungslos mit billigstem Alkohol für kleines Geld abzuschießen, noch. Einmal zahlen, immer trinken. Ich weiß nicht in welchem Zustand ich nachts versuchte nach Hause zu kommen, ich weiß nur dass es spät und ich voll war. Verdammt voll.

Wer die Mannheimer Innenstadt kennt weiß, dass diese quadratisch angeordnet ist. Wenn man das System einmal verstanden hat, ist eine Orientierung sogar für Fremde einfach möglich. Eigentlich auch mit 2 Promille. Zumindest dachte ich das. Im Grunde war es nur 1 Block links, 1 rechts und dann 6 Blöcke geradeaus. Am Ende stand ich aber nicht da, wo ich sein wollte. Aber wofür hat man denn ne Freundin! Handy raus, damals waren das noch so Dinger mit Tasten, ohne WhatsApp oder Google Maps, und sie angerufen. Mittlerweile schlief sie, es war ja tiefe Nacht, aber ich hatte schließlich eine Notlage. Mit meinem letzten Rest Deutschkenntnis versuchte ich ihr zu vermitteln, dass ich mich in meiner eigenen Stadt verlaufen hatte. Ab da war sie hellwach.

Bei mir war dafür das Gegenteil der Fall, Alkohol sei Dank. Da ihre Hilfe nur begrenzt fruchtete, denn Fragen wie „wo bist du?“ oder „Ich mache mir furchtbare Sorgen!“ halfen einfach nicht, den Weg nach Hause zu finden. Also legte ich auf und schleppte mich weiter. Bis zu einem Parkhaus. Warum mich dieses so fasziniert hat, wird mir ein Rätsel bleiben. Vermutlich ging ich davon aus, dass es bei dem Herbstwetter drinnen wärmer war als draußen. Jedenfalls fand ich irgendwo im 2. Oberdeck einen freien Parkplatz, der mich regelrecht anhimmelte. Ich war müde, der Parkplatz frei. Da ich kein Auto bin, sollte es ja auch nichts kosten. Wärmer als draußen war es auch … was fehlte noch? Ach ja, meine Freundin macht sich Sorgen. Flugs angerufen und ihr klar gemacht, dass ich den Rest der Nacht in einem Parkhaus verbringen werde. Auf ihre vor Kummer & Sorge gestellte Frage „welches Parkhaus?“ antwortete ich „Parkplatz Nr. 34“ und schlief ein.

Der Rest der Geschichte handelt von einer stundenlangen Suche einer ziemlich verzweifelten Freundin durch Mannheims Parkhäuser. Erfolglos. Auch die dutzenden Anrufe auf meinem Handy änderten nichts daran. Aber das ist nicht meine Geschichte, ich schlief ja selig. Auf Parkfläche 34. Kostenlos.