Eines schönen Tages mitten im Sommer ging ich ausnahmsweise zu Fuß gen Arbeit, statt wie sonst das Rad zu nehmen. Eine fatale Idee. Keine paar hundert Meter von meiner Wohnung entfernt verlief die Strecke durch einen ausgedehnten Grünstreifen mitten in der Kleinstadt. Dort kam er mir entgegen – ohne auch nur ansatzweise Notiz von mir zu nehmen. Die Nase am Boden, wuselnd und scheinbar zielgerichtet kreuz und quer laufend, war so ziemlich alles interessanter als ich. Wie ich schnell feststellte, war nur leider Herrchen oder Frauchen nicht anwesend. Nun stand ich da: Was tun? So zielsicher Hundi zu wissen schien, was er will, so wenig sicher war ich mir, ob er das wirklich wusste. Also folgte ich ihm eine Weile und stellte schnell fest, dass die Zielsicherheit präzise planlos verlief. Planlos ging es dann vom Grünstreifen gen Hauptstraße. Na super. Ich rief nebenbei kurz meinen Chef an und erklärte ihm meine Lage. Den Spruch „Sowas kannst auch nur du schaffen!“ kannte ich bereits.
Nun sei an dieser Stelle gesagt: Gehst du neben einem Hund her, gehört er automatisch dir. Als das Tier nämlich gedankenlos auf die Straße lief, war ich den Wutattacken der Autofahrer ausgesetzt. Und nun begann der eigentliche Akt: Dieses Tier gehörte nicht zur Kategorie „ich diene, du bestimmst“. Sondern es lief mehr nach dem Motto „ich mache, was ich will, und du versuchst mich aufzuhalten“. Hätte der Hund die Größe einer Katze gehabt, wäre das ja noch machbar gewesen – bis darauf, dass kleine Hunde gerne mal bissige Kläffer sind. Dieser bellte hingegen nicht, aber hatte dafür fast die Größe eines Jungbullen. Und dessen Sturrsinn. Und jetzt krieg so einen Oschi von der Straße! Insbesondere, wenn das Halsband fehlt.
Nach etwas widerwilligem Hin und Her konnte ich Bello überreden, den Fußweg zu nehmen. Er hatte auch bereits neue, mir unbekannte Ziele im Visier und ich ließ mich notgedrungen mitschleifen. Wenige Minuten später kamen wir an meiner Stamm-Bäckerei vorbei und mir kam die rettende Idee! Mit viel Widerwillen schleifte ich Bello bis zur Bäckerei-Tür. Sobald ich diese öffnete, war sein Wille gebrochen und zahm wie ein liebestoller Esel zog er den Düften entgegen. „Hunde dürfen hier nicht rein!“ schallte es von drinnen. Ja, das war mir auch klar, aber ist ja nicht meiner. Ach, was soll´s. Während ich Hundi versuchte davon abzuhalten, die Bäckerei zu erobern, erklärte ich meine Notlage (der Hund hatte ja keine) und ob jemand dieses Tier kennen würde. Nein, natürlich nicht.
Immerhin hatte ich nun eine Waffe gegen Hundi gefunden: Bäckerei-Düfte. Ich postierte mich nämlich mit ihm direkt vor der Tür und auf einmal war der Gute der liebste Hund auf der Welt. Klar, er hoffte irgendwas von Drinnen zu bekommen. Und die vorbeikommenden Gäste waren gewillt, dem nachzugeben, bis die Bäckerei-Verkäuferin dem Treiben einen Strich durch die Rechnung machte: „Für Hunde ist sowas nicht gut. Schlägt auf den Magen.“ Wie schön, dass Hundi das nicht verstehen konnte. Nun saß ich also da und überlegte, was zu tun sei. Brauchst du Hilfe, hilft dir die Polizei. Wobei ne Notlage war das ja nicht. Also gut, anderer Gedanke: Ein Tier, Tierrettung, Feuerwehr. Ein Versuch war es wert. Leider blieb es dabei: Der gute Mann hinter der 112 erklärte mir amüsiert, dass er nix tun könne, wenn Hundi nicht in einer Notlage sei. Er fand meine Lage dafür sehr spannend. Danke. Mit den netten Worten „Die Polizei hilft bestimmt“ war das Gespräch beendet.
Da ich Hundi nicht absichtlich in eine Notlage bringen wollte, rief ich die Polizei an. Diese war genauso ratlos, versuchte sich aber wenigstens an einer Idee: Tierheim. Ob ich denn einen Wagen hätte und Hundi damit hinfahren könne. Ja und nein. In meine kleine Twingo-Minikarre passt das Tier nicht mal in den Kofferraum. Und wenn doch wäre Hundi ziemlich eingekeilt und damit sicher wenig erfreut. Der Beifahrersitz fiel auch raus, bei dem wuseligen Charakter wären wir nie lebend angekommen. Außerdem müsste ich ihn dafür erstmal bis zu meinem Auto bekommen und dann noch reinhiefen. Ich vermutete stark, dass seine Freundschaft zu mir doch Grenzen haben würde. Und ich hatte Grenzen, was Hundehaare in meinem Auto anging. Schlussendlich gab der Polizist nach und meinte, er würde versuchen ein Taxi für mich zu holen, welches Tiere transportiert. Er melde sich wieder.
Während ich so da saß, Hundis treuer Blick weiter auf die Scheibe der Bäckerei geheftet, fuhr ein Auto vorbei, bremste abrupt und eine Frau sprang heraus. „Da bist du ja!“ Es war Frauchen. Hundis Interesse an ihr war etwa so groß wie das an mir, aber immerhin hörte er auf sie und ließ sich zum Auto führen. Wie sich herausstellte war der Große ausgebüxt, als die Haustür offen stand, welche wiederum ihr kleines Kind offen gelassen hatte. Hundi hatte bereits einige Kilometer zurück gelegt und Frauchen einige mehr. Da war meine Idee, mich an einer großen Straße an präsenter Stelle hinzusetzen, ja Gold wert gewesen. Flugs der Polizei abgesagt, die vom Hin und Her bereits etwas genervt war, meinem Chef Bescheid gegeben, dass ich nicht wie gewohnt zu spät komme, sondern richtig dolle zu spät komme, und alles war gut. Nur meinen Hund war ich wieder los.