Wer hat Angst vor bösen Spritzen? Ich definitiv. Man könnte es fast panisch nennen. Dafür habe ich einige glorreiche Beispiele parat. Und es werden sicher nicht die letzten sein!
Als Jugendlicher sollten bei einer Blutabnahme im Krankenhaus ganze 5 Spritzenladungen Blut vor einer OP abgezogen werden. Jedoch hatte meine Psyche andere Pläne. Bereits mit dem Stechen der Nadel setzte eine Art panisches Ohnmachtsgefühl ein, dass sich mit jeder abgezogenen Blutladung auf interessante Art verstärkte:
– Spritze 1: Ein Kribbeln im Körper, mein Kreislauf fährt langsam herunter, vor meinen Augen tauchen erste schwarze Punkte auf
– Spritze 2: Das Denken fällt schwerer, vor meinen Augen tanzen viele schwarze Punkte, die Geräusche und Stimmen um mich herum werden leiser, Müdigkeit setzt ein
– Spritze 3: Mein Farbsehen ist verschwunden, vor meinen Augen flimmert es in schwarz-weiß wie bei einem alten Röhren-Fernseher ohne Empfang, mein Blickwinkel wird kleiner wie im Tunnel
– Spritze 4: Der Arzt und mein Vater versuchen mich mit einem Frage-Antwort-Spiel wach zu halten, aber ich reagiere kaum noch. Der Arzt entschließt, dass 3 Spritzen reichen müssen, und bricht ab.
– Spritze 5: Liegt irgendwo unbenutzt herum. In meinen Ohren rauscht es und mein Blickfeld besteht größtenteils aus Schwärze. Ich möchte schlafen.
Nach dieser Blutentnahme-Glanzleistung war ich stolz, eine Ohnmacht in all ihren Teilschritten erleben zu dürfen! Fürsorglich hakten mich der Arzt und mein Vater unter meine Schultern und trugen oder schleiften mich bis zu meinem neuen Zimmer. Die dort bereits vorhandene 4-Mann-Besatzung reagiere zwischen entsetzt und besorgt, verlief unser erstes Kennenlernen doch recht außergewöhnlich. Dafür waren die Männer anschließend meine besten Freunde. Wir machten viel Unsinn und ärgerten die Schwestern, besonders den Stationsdrachen. Insbesondere war es uns nach der OP verboten, alleine auf Toilette zu gehen. Wir 5 Männer wurden alle am selben Vormittag operiert und lagen anschließend im sedierten Halbschlummer im Zimmer herum. Irgendwann erwachte ich und musste dringend auf die Toilette; ich klingelte, doch keine Schwester ließ sich blicken. Kurz vor einem Unglück bot sich der Mann neben mir hilfsbereit an, mich auf die Toilette zu bringen; denn schließlich war es uns verboten, alleine auf die Toilette zu gehen, und nun waren wir zu zweit. Was kann schon schiefgehen?
Irgendwie schafften wir es, uns gegenseitig zu stützen und wankten so den Flur entlang Richtung Toilette. Mein Helfer hielt sich an der Wand vor der Tür fest, während ich mich über die Türgriffe gen rettender Toilettenschlüssel vorarbeitete. Doch wir, besser ich, verweilten zu lange. Auf dem Rückweg kam uns der Stationsdrache entgegen, voll feuriger Energie ob unserer eigenmächtigen Entscheidung außerhalb unseres Hoheitsgebiets! Nach einem apokalyptischen Gewitter und Rückverfrachtung ins Zimmer wurden wir netterweise nicht am Bett festgebunden.
Jahre später, ich war bereits volljährig, wollte ich mir eine Impfung bei meinem Hausarzt holen. Einem türkischen Arzt. Scheinbar ist es in der Türkei nicht üblich, dass Männer bei einer Spritze umfallen, denn der Arzt wollte mir nicht glauben, dass dies möglich sei. Vermutlich war ich sein erster deutscher Patient und vermutlich auch sein letzter. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf: Der Mann holte seine beiden jüngsten und hübschesten türkischen Schwestern dazu, verpasste mir die Spritze und befahl dann den beiden Schönheitskandidaten, auf mich aufzupassen. Und so guckten mich 4 weibliche Augen gespannt an, ohne ein Wort zu sagen; wohl in der Hoffnung, ich könnte wirklich umfallen und es gäbe mal etwas Action in der Praxis. Ich tat ihnen den Gefallen nicht – ich fiel erst um, als ich die Praxis verlassen hatte.
Ähnlich spannend verlief ein Besuch beim Hautarzt, wo ich eine kleine Haut-OP mit lokaler Betäubung bekam. Der Arzt ging nicht davon aus, dass man nach so einem Eingriff eine Überwachung bräuchte, und ließ mich gleich danach gehen. Gehen war aber der falsche Ausdruck. Am Rande der Angst vor einer baldigen Ohnmacht oder gar dem Tod wanke ich durch die Mannheimer Innenstadt meinem Zuhause entgegen; immer bereit, mich sterbend auf den Boden fallen zu lasen. Meine Hoffnung, dass mich eine der Straßenbahnen von meinem Leid befreien könne, erfüllte sich nicht. Lebend erreichte ich meine Haustür.
Doch das war noch alles nichts gegen meine Reaktion bei meiner ersten Corona-Impfung: Wegen des neuartigen Impfstoffs hatte ich mir im Voraus soviel Angst gemacht, dass ich bereits bei der Impfung von einer Ärztin und einem Mann vom DRK bewacht wurde. Nach der Spritze brannte es in meinem Arm und ich glaubte, dass es nun mit mir aus sei. Dass Impfungen brennen können, hatte ich wohl verdrängt. Nach etwa 15 Minuten ohne notdienstärztliche Behandlung wankte ich zum großen Warteraum, wo man nach der Impfung sicherheitshalber einige Zeit verbringen sollte. Die Zeit hatte ich zwar schon lange hinter mir, aber schaden kann´s ja nicht … . Ich sah weitere bemitleidenswerte Kreaturen von der Impfung eintreffen, die vermutlich noch blasser waren als ich. Das bestärkte meine Angst, dass noch etwas schreckliches passieren wird. Nach einer weiteren halben Stunde ohne plötzlichen Herztod schlich ich zurück zu meinem Auto und sank in den Fahrerstuhl – zu erschöpft von den 300 Metern zu Fuß, um noch fahren zu können. Ich kurbelte den Sitz in Liegelage und verbrachte so eine weitere Stunde im Halbschlaf. Nachdem nun knapp 2 Stunden seit der Spritze zurücklagen und ich immer noch nicht tot war, entschied ich mich aufzugeben und zurück zur Arbeit zu fahren. Dort fragte man mich, wo ich so lange gewesen sei: Beim Sterben – hat aber nicht geklappt.
Meine zweite Corona-Impfung verlief nicht besser. Nachdem ich mir nun sicher war, dass ich nicht sterben muss, wenn ich denselben Impfstoff nochmal bekomme, wurde ausgerechnet dieser Impfstoff verboten, weil er nicht wirkungsvoll genug sei. Mir blieb nur die Wahl zwischen 2 alternativen Impfstoffen, die ich bei der ersten Impfung vehement abgelehnt hatte. Pest oder Cholera … ich entschied mich für Pest und bekam die nächste Spritze gesetzt. Gut an der Situation war, dass die Impfstation direkt neben dem Krankenhaus lag. Ich wusste also, dass mein folgender Weg nicht weit sein würde. Und es half mir, dass die Schwester beim Impfen erzählte, dass sie selbst Corona abbekommen hatte und seitdem keinen Geschmackssinn mehr besaß. Die Impfung wäre also die bessere Wahl. Das ironische an dieser Situation ist, dass ich Jahre später auch an Corona erkrankte und ebenso meinen Geschmackssinn für längere Zeit verlor. Aber das konnte ich ja nicht wissen und somit hielt ich die Impfung tapfer durch, um in jedem Fall weiter leckeres Bier trinken und schmecken zu können. Nach der Impfung lief ich dutzende Runden um das Krankenhaus, doch es passierte nichts.
Tage später hatte ich das Gefühl, immer schwächer zu werden. Ich bekam Atemnot, hechelte unregelmäßig vor mich hin und konnte kaum noch stehen. Mit Grauen erinnerte ich mich an die schwere Nebenwirkung Herzmuskelentzündung, die ich beim Studieren der Impf-Nebenwirkungen immer wieder gelesen hatte. Dass ich den Beipackzettel bestimmt 10 Mal vor und nach der eigentlichen Impfung studiert hatte, machte diese Gedanken nicht besser. Bei einer Wanderung mit meiner Mutter war ich unfitter als eine 90-jährige und als ich am Folgetag beschloss, ins Krankenhaus zu fahren, bekam ich nach 3 Stockwerken bergab einen Schwächeanfall direkt an meiner Autotür. Meine Nachbarin sah dieses Elend und fuhr mich ins Krankenhaus in die Notaufnahme. Dort wurden meine Blutwerte gechecht, doch diese waren OK. Man riet mir nur zu einigen Tagen Bettruhe. Und tatsächlich wurde es mit der „Nix zu sehen“-Diagnose täglich besser! Willkommen bei den Hypochondern …
Eine weitere spannende Impfung war Hib. Diese Impfung bekommen nur Säuglinge und Kleinkinder und das erst seit wenigen Jahrzehnten. Als ich klein war, gab es diese Impfung noch nicht. Doch wegen einer grausamen familiären Erkrankung an genau diesem Erreger hatte ich Angst davor bekommen und versuchte mit allen Mitteln, dass mir eine Impfung gegeben wird, die gar nicht für Erwachsene zugelassen ist. Ich, der Angst vor Spritzen und Impfungen hat, wollte etwas haben, das mir kein Arzt geben wollte! In meiner Verzweiflung schrieb ich das RKI an (Robert-Koch-Institut) und bekam von dort die Antwort, dass auf meine eigene Verantwortung nichts dagegen spricht, mir als Erwachsenem diese Impfung zu geben. Mit dem Schreiben wurde ich bei meiner Hausärztin vorstellig und tatsächlich, sie willigte ein. Yes!
Bei der Impfung hätte man mir fast die falsche geben, hätte ich nicht das Schild auf der Verpackung gelesen und widersprochen. Gut, darum soll meine Hausärztin laut Google auch die „schlechteste Hausärztin Deutschlands“ sein. Kann ja passieren und der mündige Patient passt sicher auf. Auf der richtigen Verpackung stand dann der ungemein beruhigende Kommentar „Für Säuglinge und Kleinkinder“. Ob nun dieser daran schuldig war, sei dahin gestellt – die Impfung ging gut, ich setzte mich ins Wartezimmer und Minuten später sackte mir der Kreislauf weg. Eine stämmige Krankenschwester trug mich zu einer Liege und konnte mich beruhigen, dass sowas häufiger passiert. Eine halbe Stunde später saß ich wieder im Wartezimmer, wiederholte die Schau aber kein zweites Mal.
Noch zu nennen ist meine Zeckenschutzimpfung, bei der es die Ärztin schaffte, mir die Spritzenladung direkt in eine Blutbahn zu hauen. Sowas sollte nicht passieren, weil dann die komplette Medikamentendosis in kürzester Zeit vom Körper aufgenommen wird, statt wie sonst im Laufe der Zeit von den Muskeln. Mit dem Kommentar „Der Arm wird jetzt etwas kribbeln und vielleicht eine Weile taub werden“ ließ sie mich alleine. Dick und heiß wurde er auch. Traum-Momente für Spritzen-Liebhaber wie mich!
Es wird spannend bleiben, was ich in Zukunft noch alles an Abenteuern mit Spritzen erleben werde. Neue Geschichten aus dem Reich der Ohnmachts-Anfälle und Nahtod-Erfahrungen – zukünftig nur hier! 🙂