Es war ein schöner Sommertag, ich besaß seit knapp 1/2 Jahr mein erstes eigenes Auto, einen Opel Corsa. Ja, ein Frauenwagen, wie von meinen Freunden oft gehässig gespottet wurde, aber da wussten die noch nicht, dass ich mir danach einen Renault Twingo kaufen würde. Der Ruf „kauf dir mal ein vernünftiges Auto!“ verhallte unbeachtet. Ich liebte meinen Wagen, schließlich war ich erstmalig in meinem Leben richtig mobil, und das mit schlappen 33 Jahren. Außerdem hatte der Wagen sagenhafte 75 PS, welche durch die angsteinflößenden roten Blitze an der Front verdoppelt wurden, und jeden BMW-Fahrer auf der Autobahn in die Schranken verwiesen. Zugegeben, zumindest rein optisch machten mir andere Autos Platz, nur wenn ich dann Gas gab, war diese Nettigkeit schnell vorbei … doch nicht getunt. Ich hatte nur aggressiv anmutende Aufkleber angebracht. Die Karre hatte ungefähr 15 Jahre und nicht ganz 200 000 Kilometer auf dem Buckel und war vom örtlichen Autodealer meines Vertrauens günstig gekauft worden. Natürlich unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung, wie mir der vertrauenserweckende Verkäufer versicherte, und mit TÜV – in der hauseigenen Werkstatt abgenommen. Also alles bestens.
Zweifel an meiner fachkundigen Auto-Einschätzung kamen mir lange nicht, auch wenn an dem Wagen gefühlt alles etwas älter war, als es sein sollte: Der Blinker hatte keine Mittelstellung mehr und blinkte mal fröhlich links, mal rechts, was zur Irritation der mich umgebenden Autofahrer betrug. Ein positiver Effekt war, dass mich Raser deutlich vorsichtiger überholten. Um die Mittelstellung zu finden, musste ich auf die Anzeige in der Konsole achten, wann das Blinkersymbol nicht zu sehen war; immerhin funktionierte die Lampe noch korrekt. Die Tankanzeige hatte die interessante Eigenschaft, immer voll anzuzeigen und erst dann, wenn wirklich Not am Mann war, auf praktisch Null zu fallen. Die Federn der Heckklappe versagten einmal ihren Dienst, als ich etwas aus dem Kofferraum holte und mich weit nach unten lehnte; der Wagen rammte mir in diesem Augenblick seinen gesamten Dank in den Rücken. Die Gangschaltung war schon arg schwammig, aber funktionierte wenigstens noch. Die Bremsklötze der Handbremse verklebten sich gerne nach einigen Tagen Stillstand mit der Bremsscheibe und brauchten dann Überredung per Eisenstange und Vorschlaghammer, um sich wieder zu lösen. Manchmal reichte es auch, im 1. Gang mit 4000 Umdrehungen anzufahren; nach etwas Aufbäumen knallte es laut und der Wagen schoss nach vorne. Vermutlich gab ihnen diese Behandlung den Rest. Aber ich liebte meinen Wagen trotzdem.
An jenem schicksalshaften Tag war ich mit meinem Corsa tanken gefahren, damit fertig und schloss den Wagen ab, um drinnen zu bezahlen. Gerade als ich meine EC-Karte in das Lesegerät gesteckt hatte, fragte die freundliche Verkäufern völlig entspannt, ob das mein Wagen sei, der da gerade vorbei rolle. Ungläubig beobachtete ich, wie mein Corsa völlig ungefragt an der großen Glasscheibe des Tankstellengebäudes vorbei fuhr. Ca. eine halbe Sekunde später legte ich den Sprint meines Lebens hin, rannte meinem freudig wegfahrenden Auto nach, schloss die Fahrertür auf, sprang hinein und beendete den Ausflug, bevor der Wagen endgültig das Gebäude erreicht hätte.
Die spöttischen Bemerkungen anwesender Weiblichkeit, dass sowas sonst doch nur Frauen passiere, ignorierte ich gekonnte, zahlte mit hochrotem Kopf zu Ende und fuhr dann mit dem kleinen Ausreißer davon. Die Handbremse war zwar angezogen gewesen – aber wie ich später feststellte, bedeutete das nicht mehr, dass sie auch in irgendeiner Weise funktionierte. Von diesem Tag an gewöhnte ich mir an, meinen Wagen nur noch auf völlig ebenen Flächen, mit eingelegtem Gang und eingeschlagenem Lenkrad zu parken. Auch wenn ich dafür länger gehen musste.