Kündigung Deluxe

Die meisten Menschen kündigen ihren Job erst, wenn sie einen neuen gefunden haben. Abgesehen von Menschen, denen gekündigt wird, ist das auch ein verständliches Verhalten. Niemand möchte ohne Job dastehen. Niemand? Ich dachte mir, das geht auch anders. Und habe es erfolgreich getestet.

In der Regel kündige ich einen Job, weil ich umziehen möchte. Mein Job ist zwar berufsbedingt sehr HomeOffice-kompatibel, aber da ich meine Kollegen viel besser schocken kann, wenn ich sie auch sehe, suche ich mir gerne ein Unternehmen in der Nähe, wo ich direkte menschliche Kontakte habe. Ob ich damit meinen Kollegen einen Gefallen tue, sei dahin gestellt; zumindest wurde mir bereits häufiger gesagt, dass man mich „und meine spezielle Art“ sehr vermissen werde. Ich nehme das als vorsichtiges Kompliment. Und meine Abschiedsfeiern waren immer voller Leute. Vielleicht auch, weil sie sehen wollten, ob ich wirklich gehe. Oder diese Tatsache feiern wollten. Sei es drum.

Mein Wunsch nach einem Umzug kommt zwar nicht jährlich vor, aber im Mittel doch alle 5 Jahre; dann ist die aktuelle Wohnung eh abgewohnt und statt aufwendigem Renovieren kann ich auch gleich umziehen. Das läuft dann so:

– Anfangs habe ich keine Peilung, wo ich hin möchte, aber das Gefühl, dass ich weg möchte. Was Neues sehen. Neue Abenteuer erleben. Ja, Sesshaftigkeit ist mir ein Grauen.

– Da mich mein Job daran hindern wird, umzuziehen, kündige ich diesen. Mein Chef wird zwar alles tun, um mich zu halten, aber bislang hat es keiner geschafft. Wenn ich nett bin, kündige ich meine Absicht unauffällig an. So schenkte mir eine Freundin ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Tausche Arbeitsplatz gegen Berge!“. Und als ich eines Tages damit in die Firma kam, wusste mein Chef Bescheid. So sehr ich ihn mochte, meine Sehnsüchte sind wichtiger.

– Nun werde ich also bald arbeitslos, habe keinen neuen Job in Aussicht und weiß nicht mal, wohin ich ziehen will. Mein nächster Schritt ist es nun zu warten, bis ich endgültig arbeitslos bin. Weil dann habe ich einfach mehr Zeit, um mich mit diesen Themen zu beschäftigen.

– Jedes Arbeitsamt würde mir nun den Antrag auf Arbeitslosengeld um die Ohren hauen, weil der Zustand meine Schuld ist. Außerdem bekäme ich eine Sperrzeit. Somit melde ich mich erst gar nicht und werde auch nicht zu einem verhassten Sozialschmarotzer. Solche Leute finde ich eh widerlich. Selbst Schuld, also muss ich selbst rauskommen. Somit lasse ich meine Krankenversicherung nun auf freiwilliger Zahlung weiterlaufen und finanziere mich die nächsten Monate selbst. Sowas ist teuer. Sehr teuer. Ich lebe zwar nicht an der Armutsgrenze, aber reiche Verdienste habe ich auch nicht, gerade als Teilzeitkraft. Somit sind diese Phasen immer die beste Gelegenheit, mein gesamtes Erspartes auszugeben.

– Nun habe ich also Zeit und derzeit noch Geld. Als nächstes überlege ich, wo ich mich wohl fühlen könnte und hinziehen möchte. „Wohl fühlen“ bedeutet für mich Landschaft, Optik, Natur, Berge, atemberaubende Weitblicke. Nicht „wo kann ich einen neuen Job kriegen“ und auch nicht „wo leben meine Freunde und Verwandte“. Der erste Punkt bedeutet mir wenig, auch wenn ich mich gerne für meine Aufgaben einsetze; dennoch hat mein Privatleben deutlich Vorrang. Ich lebe schließlich nur einmal. Der zweite Punkt bedeutet mir schon etwas mehr, jedoch haben alle meine Verwandten und Freunde beschlossen, dass das norddeutsche Flachland viel schöner ist. Zwar gibt es auch hier im Sprachgebrauch Berge, die sind für mich jedoch nichts anderes als Hügel, die noch groß werden wollen. Und Berge ziehen mich einfach magisch an. Also gucke ich südwärts.

– Nachdem ich nun ungefähr weiß, wo ich hinziehen möchte, mache ich dort einen „Herzensurlaub“. Ich wandere einfach wochenlang durch die Landschaft und höre auf mein Herz, wo es mir am besten gefällt. Von mit ins Gespräch gekommenen Einheimischen wurde ich mit erstaunten Blicken bis maximaler Bewunderung betrachtet. Macht wohl nicht jeder.

– Anschließend umkreise ich auf einer Karte die Gebiete, wo es mir gefiel. Dann wo sich möglicherweise potentielle Arbeitgeber befinden könnten und falls doch Freunde oder Verwandte dort wohnen, bekommen deren Wohnorte ebenso große Kreise. Nun suche ich nach Schnittpunkten der Kreise und beim optimalsten ziehe ich hin.

– Einen Strich durch diese Rechnung können ausschließlich weibliche, reizvolle, begehrenswerte Geschöpfe machen, die mir den Kopf verdrehen. Eigentlich halte ich mich zwar für recht zieltreu, jedoch sind bereits 50% meiner Umzugsversuche an Frauen gescheitert. Irgendwie haben die einfach die besseren Argumente, selbst wenn sie nichts sagen. Liebe zur Weiblichkeit vor Liebe zur Landschaft. Dann also woanders hin. Vielleicht kriege ich sie ja zukünftig überzeugt, mit mir an die Berge zu ziehen … .

– Nun weiß ich, wo es hingeht. Ich suche mir dort eine neue Wohnung und ziehe um. Beachte: Noch immer habe ich keinen Job und muss daher mein gesamtes Überredungsgeschick beim neuen Vermieter nutzen, damit er einem Arbeitslosen die Wohnung gibt.

– Nach dem teuren Umzug, den Renovierungen und vielen Monaten verstrichener Zeit läuft mein Konto auf Ebbe. Ich schaue nun, was es hier eigentlich für Jobs gibt. Da ich gerne aufs Land ziehe und Städte nicht mehr mag, wird dieser Part immer spannend. Doch dank meiner Kornkreis-Vorarbeit und meinen Glück klappt es irgendwie immer: Von 20 Minuten bis 1 Stunde Fahrzeit pro Richtung konnte ich immer einen Job finden.

– Nach dem Umzug ist vor dem Umzug. Die einzige Tatsache, die ich nie bei Vorstellungsgesprächen erwähne.