Krankwerden & Covid

Krankwerden in Corona-Zeiten … war kein Spaß. Während der weltweiten Covid-19 / Corona-Epidemie hatte ich in 2020 die Ehre, krank zu werden. Eigentlich war es nicht mehr als eine Erkältung, aber was daraus wurde, ist beachtlich. Denn es war zu Beginn der Epidemie, wo die Unsicherheiten und Ängste enorm waren und Menschen panisch zur Seite sprangen, wenn man hustete oder nieste. Dazu kommt, dass ich in der ersten Woche bei meinem neuen Arbeitgeber krank wurde.

Hier eine Realsatire meiner Corona-Krankfeier-Tage. In 5 Akten.

Donnerstag:
Im Laufe meines dritten Arbeitstages bei meiner neuen Firma beginnen Hals- und Ohrenschmerzen, abends kommt Fieber dazu. Vermutlich eine normale Erkältung, es ist schließlich Herbst. Sorglos gehe ich schlafen – ein fataler Fehler.

Donnerstagnacht:
Ich wache mit gefühlter Atemnot auf, mein Rachenhaut ist geschwollen. Klar, ich habe schließlich Halsschmerzen. Doch die überall grassierende Covid-Angst befällt auch mich und ich lese im Internet von Covid-bedingten Rachenschwellungen, die bis zum Erstickungstod führen können. Ob das nun stimmt oder nicht, es wirkt. Zwischen Notrufgedanken und übertriebener Panik kommt mir die Idee: Salbeitee! Unter Herklopfen trinke und gurgele ich damit, dann folgen Buch lesen zur Ablenkung und abwarten; schlafen geht jetzt nicht mehr. Gefühlt wird es langsam besser und irgendwann schlafe ich vor Müdigkeit wieder ein.

Freitag:
Meinen vierten Arbeitstag feiere ich mit einer Krankmeldung. Immerhin ist die Schwellung besser geworden, dafür habe ich Kopfschmerzen. Mit dem Hinweis meines Arbeitgebers, dass ich ab dem ersten Tag eine Krankschreibung brauche, beginnt das eigentliche Drama.
Akt 1: Da ich durch meinen kürzlichen Umzug noch keinen neuen Hausarzt als Ansprechpartner habe, rufe ich den ärztlichen Notdienst an. Nachdem ich mich 30 Minuten durch dutzende Sprachmenüs gequält habe, ohne den von der Bandstimme versprochenen Ansprechpartner je erreicht zu haben, gebe ich auf. Dann rufe ich halt irgendeinen Arzt an.
Gute Idee, schlechtes Ergebnis: Einen neuen Hausarzt zu finden dauert über eine Stunde. Die meisten Praxen haben wegen Überlastung Aufnahmestopp; die laut Internet schlechtbewertetste Ärztin der ganzen Stadt nimmt mich. Vermutlich hat sie auch keine Wahl. Als ich meine Symptome schildere, bekomme ich jedoch keine Hilfe, sondern sofortigen Hausarrest. Meine woanders lebende Freundin muss Fahrdienst spielen, meine Krankenkassenkarte zum Arzt bringen und dieser vermittelt mich an eine Infektionsklinik weiter. Ich soll auf Anruf warten, das Haus nicht verlassen und im Notfall 112 wählen. Den Tag über meldet sich niemand mehr.

Samstag:
Akt 2: Der Anruf kommt. Ich darf niemanden treffen, meine Wohnung nicht verlassen und muss am Montag in eine Infektionsklinik fahren. Aber nicht um meine Krankheit anzusehen bzw. die Krankschreibung zu bekommen, die mir ja gereicht hätte, sondern um einen Covid-Test zu machen. Erst wenn der negativ ist, schaut mich ein Arzt überhaupt an. Das wird dann nochmal einige Tage dauern, bis dahin gilt Quarantäne. Mir wird langsam klar, dass dich in diesem Pandemie-Wahnsinn niemand behandeln wird, wenn du hustest, schnupfst oder Fieber hast – die Standardkrankheiten in jedem Herbst. Sondern ich werde als Aussätziger fern gehalten, auch wenn es am Ende nur eine harmlose Erkältung ist. Wird bei einem positiven Ergebnis eigentlich mein Haus zugemauert? Mir bleibt keine Wahl: Ich bitte meine Freundin wieder um Fahrdienst-Tätigkeiten, sie besorgt mir rezeptfreie Medikamente und ich starte über das Wochenende eine Selbstbehandlung.

Sonntag:
Mir geht es deutlich besser, fast alle Symptome sind weg, nur die verdammte Atemeinschränkung ist geblieben. Vielleicht glaube ich das aber auch nur – Covid-Panik sei Dank. Vermutlich wird es für den Arzt nichts mehr zu sehen geben, wenn ich irgendwann freigelassen werde und vorsprechen darf, und werde dann vom Aussätzigen zum Simulanten. Bis heute wollte mir zudem niemand eine Krankmeldung für meinen Arbeitgeber ausstellen. Die muss aber morgen vorliegen, sonst droht mir eine Abmahnung oder sofortige Kündigung in der Probezeit. Das wird meinen neuen Arbeitgeber bestimmt freuen.

Montag:
Akt 3: Endlich, ich darf meine Wohnung verlassen! Wenn auch nur zum Covid-Test. Mit vollendetem Freiheitsgefühl fahre ich zur Klinik. Der Test geht schnell, null Wartezeit. Ich bin begeistert. Wenn das bei Ärzten immer so wäre. Weniger begeistert bin ich von der Aussage der Ärztin zum Thema Krankschreibung: „Sie sind heute erst beim Arzt, also bekommen Sie ab heute eine Krankschreibung.“ Ja, vorher durfte ich doch nicht… ach egal. Mittlerweile bin ich in eine Art Lethargie gefallen, was das deutsche Ärztewesen in diesen Tagen betrifft. Somit darf sich mein neuer Arbeitgeber an einer zu spät eingereichten Krankmeldung und einem unentschuldigten Fehltag erfreuen. Auf die Frage der Ärztin, ob ich die Corona-Warn-App habe, zeige ich mein hochmodern veraltetes Windows Phone vor. Frage erledigt.
Wie mit meinem Arbeitgeber abgemacht fahre ich nun ins Büro, betrete das Gebäude mit Mundschutz durch eine Hintertür und hole meinen Laptop aus dem ersten Raum heraus. Dabei fällt deutlich auf, dass meine neuen, darüber informierten Kollegen Ausgrenzung Deluxe betrieben haben: Vom Flur und dem ersten Raum aus sind sämtliche Verbindungstüren in die Firma hinein verschlossen. Das erste Büro ist natürlich leer. So müssen sich Ausgestoßene fühlen, denke ich voller Begeisterung – das wollte ich schon immer am eigenen Leibe erfahren! Willkommenskultur in den ersten Arbeitstagen. Aber was soll´s – ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt.

Dienstag:
Akt 4: Das Warten auf den Anruf bezüglich des Testergebnisses beginnt – doch es kommt keiner. Abgelenkt durch HomeOffice vergeht der Tag, meine Freundin wird ungeduldig. Nach fast 2 Wochen nahe beinander Wohnen, ohne sich Nahe zu sein, liegen ihre Nerven blank. Die erste Woche hatten wir absichtlich keinen Kontakt, damit ich mich auf meine neue Arbeit konzentrieren kann, aber die nun zweite Woche war nicht so geplant. Gesehen haben wir uns nur in meinem Treppenhaus mit Maske und viel Abstand. Also rufe ich kurz vor Feierabend meinen neuen Hausarzt an, der das Ergebnis bekommen haben sollte. Begrüßt werde ich vom Anrufbeantworter, der mir freudig erklärt, dass mein Hausarzt im Urlaub ist.
Was? Freitag mich als Neukunden aufnehmen und danach schnell in den Urlaub, ohne was zu sagen? Schade, dass es keine Minus-Sterne gibt. Das erklärt zumindest, warum mich niemand angerufen hat. Ist der Test negativ, hätte es mein Hausarzt sein sollen, der sich aus dem Staub gemacht hat. Ist der Test positiv, meldet sich das Gesundheitsamt, das sich nicht gemeldet hat – aber ist das ein Zeichen für Negativ? Es ist ja gerade mal 30 Stunden her, der Test … nicht dass ich heute eine wilde Freudensparty feiere, um morgen den Anruf zu bekommen, und dann wegen rücksichtsloser Körperverletzung eingebuchtet werde. Welch Dilemma.
Meine Freundin berichtet mir, mittlerweile sehr ungeduldig, dass alle, die sie kennt und die einen Test machen mussten, einen QR-Code bekommen hätten, um das Ergebnis selbst abzurufen. Ja, alle außer mir. Vermutlich hat mein Handy die Ärztin so abgeschreckt, dass sie nicht davon ausging, dass es QR-Codes lesen kann. Und erst gar nicht gefragt hat. Was eine der wenigen Funktionen ist, die es kann …

Mittwoch:
Akt 5: Ich rufe gleich morgens die Vertretung meiner Hausärztin an, in der Hoffnung, dass diese auf mein Testergebnis zugreifen kann. Ich erreiche zwar jemanden, aber der erreicht mein Testergebnis nicht. Das läge schließlich beim Hausarzt und nicht bei der Vertretung. In mir keimt der Gedanke, dass es einfacher wäre, bei einem neuen Arzt einen neuen Test zu machen … und verwerfe ihn wieder. Das Passierschein A38-Spiel werde ich gewinnen! Ich rufe nun direkt bei der Infektionsklinik an. Die hatten mir zwar gesagt, dass ich mit meinem Hausarzt sprechen soll, aber man weiß ja nie in diesen Covid-Tagen. Nach ca. 7 Anruf-Versuchen von 2 unterschiedlichen Telefonen, damit man mich nicht als Störenfried sperrt, erreiche ich endlich jemanden. Die freundliche Dame kann sogar auf mein Ergebnis zugreifen: Negativ! Wenn Arztbesuche doch immer so einfach wären, hat ja nur 6 Tage gedauert. Noch während ich im Glück schwebe, dass ich weiter nicht weiß, woran ich eigentlich erkrankt war, aber weiß, dass meine längst verheilte Krankheit nun ein Arzt ansehen würde, meldet sich mein Arbeitgeber: Test negativ, Hausarrest beendet, Krankschreibung abgelaufen, ab ins Büro. Ja, Chef!