Urlaube bergen für mich immer ein hohes Verletzungsrisiko. Wo andere 2 Wochen am Strand liegen und sich maximal zwischen Bett, Bar und Meer bewegen, da bewege ich mich zwischen zeckenverseuchtem Gestrüpp, moorigen Wäldern, steilen Bergflanken und klettrigem Felsgelände. Doch gerade dabei habe ich mich noch nie so verletzt, dass ich ein Krankenhaus gebraucht hätte. Dafür passiert mir sowas im Alltag eines Urlaubs genau dann, wenn ich gar nicht damit rechne. So wie Hausarbeit gefährlicher als Fallschirmspringen ist.
Das beste Beispiel war Menorca, wo ich meinen Spaß mit den biestigen Feuerquallen im Meer hatte und mich die drückende Hitze kreislauftechnisch in die Knie zwang. Doch dann kam der an sich völlig harmlose Urlaubstag, wo wir nur mit Badehose und Trekking-Sandalen am felsigen Strand entlang wanderten. Mein Freund legte sich in einer Bucht in die Sonne, während ich nichtsahnend weiter wanderte. Natürlich genau dann, alleine und niemand in der Nähe, trat ich mit einem Fuß auf das Endstück eines trockenen Stocks, bog diesen dadurch so nach oben, dass eine scharfe Spitze in Richtung meines anderes Fußes zeigte – der sich mit Präzision auf diese senkte. Und den Stock sauber durchrammte – also meinen Fuß, inklusive Sandalen.

Das alles ging so schnell, dass ich erstmal kapieren musste, warum ich plötzlich starke Schmerzen hatte und ein blutiger Stock aus meinem Fuß guckte; zum Glück weiter vorne nahe den Zehen. Reflexartig wollte ich diesen herausziehen, doch dabei quoll das Blut richtig aus beiden Wunden, also ließ ich die Finger davon und brach nur den Stock unter der Sandale ab. Normalerweise wäre nun der Zeitpunkt für mein Kreislaufversagen gekommen, doch ich hatte jetzt keine Zeit dafür. Dank meiner Fast-Nackt-Wanderung hatte ich nichts außer ein paar Taschentüchern dabei, womit ich meinen Fuß irgendwie verbinden musste. Es sei angemerkt: Ein Verband mit nur Taschentüchern inklusive deren Plastikverpackung sieht interessant aus.
Das Zurückhumpeln zu meinem Freund stellte sich als fast unmöglich heraus, da ich mit dem Fuß nicht mehr auftreten konnte und es keine dickeren Äste in der Nähe gab, die ich als Krückstock hätte nutzen können. Krabbeln hätte lange gedauert und auf einem Bein hüpfen … nach einiger Zeit fanden mich 2 Spanier und halfen mir zurück zum Strand. Von dort mein Freund bis zum Auto. Ab ging es in das laut Google einzige Krankenhaus der Insel, wo man mich erst mit Mitleidsblick und Rollstuhl empfing, bis klar wurde, dass es eine Privatklinik war. Man rechnete mir vor, wieviel mich alleine das Ansehen der Verletzung kosten würde, und ich lehnte lieber ab. Immerhin bekamen wir den Tipp, wo sich das öffentliche Krankenhaus befand, was doch existierte, aber weitaus schlechter ausgeschildert.
Allen Widrigkeiten zum Trotz bekam ich dort einen deutsch sprechenden Arzt, eine ganze Truppe besorgter weiblicher Assistenzhilfen und eine wirklich gute und schnelle Versorgung. Schwimmen durfte ich danach nicht mehr, aber eine noch fehlende Wanderung auf meiner Menorca-ToDo-Liste habe ich am Folgetag trotzdem gemacht. Humpelnd. Man lebt nur einmal.

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Ein paar Jahre sah ich kein Krankenhaus mehr von Innen, bis ein Chaos-Alpenurlaub schlechthin begann. Dank Umzug und Corona war ich Jahre nicht mehr in den Bergen gewesen, vermisste diese wie verrückt und musste bis zum letzten Tag zittern, ob uns die ganzen Corona-Einschränkungen erlauben würden zu reisen. Dann kamen wir in Österreich an und der Spaß begann: Klettersteige, Bergwanderungen, Wildwasser-Klamms, steile Gipfel. Alles ging gut. Bis auf den dritten Abend in der Wohnung: Ein Sturm zog ziemlich plötzlich auf und wir hatten alle Fenster zum Lüften offen. Während der Rest noch untätig in der Küche saß, rannte ich bereits los, um die Fenster zu schließen. Wieso ich beim Betreten meines Schlafraums mit der linken Hand in den Türrahmen gegriffen habe – anstatt an die Türklinke, entzieht sich meinem Verstand. Aber es war Dummheit pur: Genau in dem Augenblick kam ein heftiger Durchzug und riss die Tür mit Schwung zu – meine Finger dazwischen. Die Schmerzen waren unerträglich! Ich war unfähig groß zu denken, schrie und stolperte nur noch zum Waschbecken, um zu kühlen was übrig war, während mir das Wind-Inferno völlig egal wurde. Nach ein paar Minuten sagte mein Kreislauf bye-bye und ich musste aufs Bett und bekam dort Eis zum Weiterkühlen.
Die folgende Nacht war geprägt von Schlaflosigkeit und Schmerzen, die ich nur mit Aspirin etwas lindern konnte. Am nächsten Morgen war klar, dass die Hand geröntgt werden musste, ob was gebrochen war. 3 Finger waren heftig lädiert. Ich ging stark davon aus und sah meinen gerade begonnen Traumurlaub verfliegen. Während mich mein Vater ins Krankenhaus brachte, ging der Rest der Truppe wieder auf Klettersteigtour. Trotz einer extrem vollen Notaufnahme ging die Behandlung vergleichsweise schnell – was sicher mit daran lag, dass mein Kühlverband um die Hand martialisch aussah. Was eine Trinkflasche mit Eiswasser, eingehüllt in ein Tuch, doch für Türen öffnen kann … sogar einen Sitzplatz bekam ich mehrfach angeboten, von deutlich älteren Personen, ablehnen half nix. Glücklicherweise war nichts gebrochen und die Blutergüsse wurden nur angestochen. 2 Finger waren noch Wochen später taub, beim Dritten der Nagel komplett blau und fiel ab. Aber was soll s, bereits am Folgetag war ich wieder wandern und kurz darauf auch wieder klettern. Denn die selbst bergbegeisterte Ärztin meinte, man habe nur einmal Urlaub 🙂
Doch der Chaos-Urlaub sollte noch nicht vorbei sein. 2 Wochen später war ich alleine in Österreich unterwegs, die Anderen waren bereits gefahren. Wanderungen auf kaum erkennbaren Wegen in schwierigem Terrain lagen hinter mir, stundenlang ohne Menschen, passiert war nichts. Doch es kam, wie es kommen musste. Ich wartete abends auf einem Bahnsteig auf den Nachtzug nach Deutschland. Dabei schmierte ich mir mit meinem Taschenmesser ein Brot und zog die Klinge anschließend zum Abwischen durch ein Taschentuch. Mit der Klinge nach unten. Das Tuch hatte ich vorher in meine rechte Hand gelegt. Da ich nie im Besitz scharfer Messer gewesen war und solche abgrundtief hasse, war mir nicht klar, wie scharf Messer sein können. Schweizer Taschenmesser sind es, wie ich nun weiß. Die Klinge schnitt das Taschentuch mit Leichtigkeit durch und meine Hand darunter gleich mit – tief in meinen rechten Mittelfinger hinein.
Wieder diese unerwarteten Schmerzen! Dass das keine kleine Schnittverletzung mehr war, sah ich an Hand der Blutmenge auf dem Bahnsteig unter mir. Wie gewohnt ließ mich mein Kreislauf noch in Ruhe, so dass ich den blutenden Finger abpressen konnte und es nebenbei mit der anderen Hand irgendwie schaffte, mein Erste-Hilfe-Set aus dem Rucksack rauszukramen. Andere Fahrgäste in meiner Nähe verhielten sich Corona-konform und sprangen weit von mir weg – Eigenschutz vor Fremdhilfe. Ich band mir also alleine den Finger fest zu und entschloss, den gebuchten Nachtzug zu nehmen, wenn der Druckverband halten würde. Als der Zug kam, sah ich kein weiteres Blut herauslaufen und stieg ein. Dumme Idee.
Die Nacht wurde mal wieder zum Schmerz-Horror: Der Finger tat immer stärker weh, ich versuchte ihn an allem zu kühlen, was in einem Zug irgendwie kalt ist. Jede Metallstange war mir dafür recht. Ich nahm Paracetamol gegen die Schmerzen – Aspirin wäre wegen der Blutverdünnung eine dumme Idee gewesen. Doch am Ende hielt ich es nicht mehr aus und wickelte nachts um 1 Uhr den Verband im Klo ab. Ich ahnte übles, da ich am Bahnhof keine Chance auf Wundreinigung und Desinfizierung gehabt hatte – das Wasser im Zug war dafür ebenso wenig geeignet. Wie sich heraus stellte, war der Verband gut durchgeblutet, aber die Schmerzen ließen beim Abwickeln nach – ich hatte den Druckverband zu fest angelegt gehabt. Mit einem neuen, weniger festen Verband ging es und ich konnte doch noch schlafen.

Am Folgetag fuhr ich per Bahn bis zu meinem Vater, wo mein Auto stand. Nach einer kurzen Inspektion der Wunde, die immer noch blutete, war klar, dass ich um den Krankenhaus-Test Nummer 2 innerhalb eines Urlaubs nicht herum kommen würde. Ich kombinierte das Unvermeidbare mit dem Nützlichen und „besuchte“ dabei ein Krankenhaus, wo ein Freund arbeitete, mit dem ich gleich noch einen Schnack halten konnte. In der Notaufnahme gab es Anschiss und verdrehte Augen, weil ich mit der Wunde sofort in ein Krankenhaus zum Nähen gemusst hätte und nicht 12 Stunden später. Mit den Worten „da können wir nix mehr machen“ wurde ich nach einer Wundspülung schnell wieder rausgeworfen. Zum Glück verschloss sich die Wunde gut und heilte recht schnell.
Fazit meiner Krankenhaus-Tests: Ausland vs Deutschland = 2:1. Wenn du dir also weh tun willst, mach das im Ausland!
Fazit meiner Hände und Füße einige Wochen später:

Die Zehen waren übrigens wegen zu enger Wanderschuhe hinüber …
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Zum Abschluss sei gesagt:
Das alles ist Kleinkram verglichen mit dem, was manche Menschen im Krankenhaus durchmachen müssen. Meine eigene Familie ist diesen Höllenweg gegangen. Mir geht es aber nicht darum, die schlimmsten Krankheitsfälle aufzuschreiben, sondern die lustigsten, über die man später auch lachen kann.